„(…) wie das eine aus dem andern sich schiebt, wächst, windet und wandelt, völlig organisch und schier hinter dem Rücken des Lesers, dass man sich verduzt die Augen reibt, wenn man am Ende merkt, wohin uns Balàkas kundige Hand geführt, das ist ziemlich eigen und Zukunft verheißend, und ausnehmend schön ist es auch.“
KOMMUNE, Wilhelm Pauli
„Ihr hohes lyrisches Können stellt Balàka einmal mehr im schmalen Gedichtband „Dissoziationen“ unter Beweis. In vielschichtigen und geistreichen Gedichten über Pflanzen und Vögel gelingt es ihr, Biologie mit Fantasie und Poesie auszusöhnen.“
Salzburger Nachrichten, Helmut Wolfgang
KAISERPINGUIN (Aptenodytes forsteri)
was für eine
Fortpflanzungsschlacht!
ein Vater
der seine Bauchfalte ausschöpft
und sich in den Stürmen erschöpft
während die Mütter
wie Pinsel durch das Meer fahren
und Tran sammeln
in ihrem Schlund
dafür werden sie auch ausgekocht
oder zum Heizen
mit ihrer knisternden Fettschicht
ins Feuer geworfen
es ist ein langer Weg
im Winter über das Schelfeis
(die letzte Wildnis!)
wo Roboter, Anoraks und Raketen
sich versteckt halten
hinter der Gletscherdrift
da muß einem ja
der Schwefel auf den Wangen blühen
vor so viel Grünspan, Korrosionen
Wellenblechen und
beschnitzbarem Blau
hier eine Bar zu bauen
einen Altar für die farbigste Hochzeit
der Wodka, die Bauchnabel bleiben
immer gekühlt
die weiße Hexe fliegt vorbei
mit ihrem Opfer auf einem Kutschbock
(sie entführt Mädchen, die dieselben
Haare haben wie sie)
so weiß sind sie beide
als wären sie durch
Kreidestäube geflogen
mit einigen Spuren von Rötel
im Haar
wobei die Motorschlitten
zu Gerümpel verdorren
nur zu Schwimmfuß
kommt man weiter
zu Flosse, zu Bauch
in Gedanken an die Häuser
in denen „glückliche Frauen“ wohnen
mit Carrarasäulenarkaden
mit Fächerpalmen davor
Gesellschaften werden gegeben
die Kinder an der Hand
von Gouvernanten geführt
Vorhänge, Kleider, Taschentücher
aus wasserdampfflüchtigem Chiffon
da hilft kein Weinen
da hilft nur eine Schürze
aus Schuppen und Federn
tausend eingezogene Köpfe
in einem durstigen Tal
bis das Ei auf den Füßen aufplatzt
sich ein großes Besprechen erhebt
bis endlich
die Hotelzimmer schmelzen
ein ganzes Schiff voller Kreuzfahrer
vor Enttäuschung vergeht
unter Anleitung rutschen
die reisefleißigen Passagiere
ins Meer
um an der Eisunterseite zu nuckeln
um durch ein neues Prisma
das Ende der Erdspindel zu sehen
das Lustigste aber
in ihren Augen
wäre ein Pinguin
der sein Herz
ausschüttet
worauf dieses zu einem
Zuckerhütchen gefriert
Bettina Balàka: Dissoziationen – Gedichte aus Pflanzen und Vögeln
Resistenz Verlag, Linz – Wien 2002
110 Seiten
ISBN: 978-3852850818
11,– EUR
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dietmar.ehrenreich@gmx.at